Unternehmensstrategie

Quereinstieg: Über Wege und Umwege in die Augenoptik

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veröffentlicht am
5. April 2023
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Erstveröffentlichung in der DOZ 03/23.

Düster sieht es inzwischen aus, und zwar im gesamten Handwerk. Denn nach der oben genannten Studie kamen im vergangenen Jahr 201.411 offene Stellen im Handwerk auf 139.256 arbeitslose Handwerkerinnen und Handwerker. In gleicher Studie heißt es: „Am schwersten ist die Stellenbesetzung […] in Handwerksberufen mit Verkaufstätigkeit wie der Augenoptik und der Aufsicht und Führung – Medizin-, Orthopädie und Reha-Technik. In diesen beiden Berufen konnten fast neun von zehn offenen Stellen rechnerisch nicht besetzt werden, da es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gab.“

Eine baldige Änderung der Problematik ist nicht in Sicht. Aber zumindest in der Augenoptik arbeiten die Unternehmen seit einiger Zeit aktiv daran, Quereinsteigerinnen und -einsteiger für ihren Beruf zu gewinnen. Ist „quer rein“ die Lösung statt der langen Geraden? Denn der gerade Weg in die Augenoptik, das ist noch immer die Ausbildung zur Gesellin. Die normale Ausbildungsdauer beträgt hier drei Jahre. Sie kann um maximal zwölf Monate auf 24 Monate verkürzt oder auf 4,5 Jahre verlängert werden, etwa bei einer Ausbildung in Teilzeit. Wer mag, kann darauf aufbauend seine Meisterin machen und einem eigenen Laden steht zumindest rechtmäßig nichts mehr im Weg. Auch ein Studium Augenoptik/Optometrie ist eine berufliche Richtung in das Ladengeschäft. Hier hat sich in der Vergangenheit bekanntermaßen einiges getan, so ist inzwischen eine augenoptische Ausbildung für den Besuch der Hochschule nicht mehr nötig. 

Es gibt aber noch andere Möglichkeiten, den Fuß in die Betriebstür zu bekommen. Diese Möglichkeiten sind oft kürzer als die drei Jahre Lehrzeit und hängen stark vom vorherigen Werdegang ab. Am häufigsten ist hier die Umschulung zu nennen, die zwei Jahre dauert. Absolviert werden kann eine Umschulung an mehreren Stellen. Das Gute: Sie wird in Deutschland häufig gefördert, zum Beispiel durch die Agentur für Arbeit. Arbeitssuchende und arbeitslose Personen haben in vielen Fällen Anspruch auf finanzielle Unterstützung für eine Umschulung, wie zum Beispiel die Übernahme der Kosten für die Umschulung oder eine finanzielle Unterstützung für den Lebensunterhalt während der Dauer der Umschulung. Eine weitere Möglichkeit der Förderung bildet der Europäische Sozialfonds (ESF) oder der Europäische Fond für regionale Entwicklung (EFRE). Diese Fonds unterstützen die Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmern, um die Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken.   

Die Voraussetzungen für eine Umschulung sind vielfältig

Wichtig zu beachten: Fördermöglichkeiten und -bedingungen können je nach Bundesland und Region unterschiedlich sein, zeitliche und inhaltliche Bedingungen können voneinander abweichen. Daher sollte man sich frühzeitig über die Fördermöglichkeiten informieren und beraten lassen. Auch die Voraussetzungen für eine Umschulung variieren. Einige dieser Voraussetzung, die für eine Umschulung zur Augenoptikerin gelten können, sind: ein Hauptschulabschluss (mindestens), eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine vergleichbare Qualifikation, gute Kenntnisse in Mathematik und Physik, eine gute Feinmotorik, handwerkliches Geschick und technisches Verständnis, gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, ein gewisses Maß an technischem Verständnis, Interesse an Optik und Optometrie sowie Freude am Umgang mit Menschen.

Die Umschulung selbst dauert 24 Monate, wobei die meiste Zeit aus theoretischem Unterricht besteht wie Anatomie und Optik. Die Praxis erhalten die Umschüler zum Beispiel in Form eines dreimonatigen Praktikums. Also alles fast wie bei einer Ausbildung, nur um ein Jahr verkürzt und mit wesentlich weniger Präsenzzeiten im Betrieb, zum Teil auch ohne betrieblichen Anteil als rein schulisches Angebot. Es gibt allerdings noch ein paar besondere Möglichkeiten, um im Augenoptiker-Beruf Fuß zu fassen. Menschen ohne berufliche Ausbildung können, sofern sie 1,5-mal so lange im Beruf tätig waren, wie die Ausbildung zur Augenoptikerin dauert, die Gesellenprüfung im Rahmen einer sogenannten Externenprüfung absolvieren. Das wäre dann nach 4,5 Jahren Beschäftigung im augenoptischen Betrieb. Die Prüfung führen, wie bei der regulären Ausbildung, die Innungen durch. Nur in Nürnberg übernimmt das die Handwerkskammer. 

Meister ohne Gesellenabschluss – ja, das geht!

Eine weitere, wenn auch sehr selten wahrgenommene Möglichkeit eines Seiteneinstiegs gilt für Personen mit einer anderen Berufsausbildung. Wer in einem Handwerk langjährig tätig ist, kann sich nach Paragraf 49 der Handwerksordnung zur Meisterprüfung anmelden. Voraussetzung ist hier eine andere vorliegende Berufsausbildung. Lang jährig, das klingt nach einem Zeitraum von mindestens fünf Jahren. Aber tatsächlich muss man bereits spätestens nach drei Jahren Beschäftigung in einem augenoptischen Betrieb die Zulassung zur Meisterprüfung erhalten. Das liegt daran, dass die Handwerkskammer höchstens drei Jahre der beruflichen Tätigkeit hierfür fordern darf. In der Praxis kann das dann so aussehen: Ein Gerüstbauer absolviert einen Vorbereitungskurs zum Augenoptik-Fachverkäufer und meldet sich im Anschluss daran zum Vorbereitungskurs auf die Meisterprüfung an. Danach kann er, sofern er zuvor drei Jahre im Betrieb beschäftigt war (die Handwerkskammer in Kassel verlangt sogar nur zwei Jahre), die Zulassung zur Meisterprüfung erhalten.

Ist das Ganze sinnvoll? Nicht in der Augenoptik, wie Dirk Schäfermeyer, Abteilungsleiter Berufsbildung beim Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA), erklärt: „Diese Art von Seiteneinstieg ist nicht unser Wunsch und wird in unserem Beruf sehr kritisch diskutiert. Bei einer über diesen Weg bestandenen Meisterprüfung fehlen dem Quereinsteiger strukturell die Inhalte der Gesellenausbildung. Der Meister führt in der Regel die Korrektionsbestimmung und die Kontaktlinsenanpassung durch, muss aber auch ausbilden. Je nach Vorkenntnissen bestehen diesbezüglich große inhaltliche Defizite. Wenn der Kandidat vor allem im Verkauf tätig war, erhält er damit dennoch die Berechtigung, Lehrlinge auszubilden. Aber es fehlen ihm die praktischen Kenntnisse. In unserem Beruf macht das, denke ich, wenig Sinn.“ Das sind jetzt auch Gedankenexperimente, die schwer in die Praxis über tragbar sind. Denn wer unter solchen Voraussetzungen den Meistertitel erwirbt, sollte über die Grenzen seiner Ausbildung Bescheid wissen. Womöglich gibt es im Betrieb einen Ausbildungsleiter und der neue Meister ist zum Ausbilden ohnehin nicht vorgesehen. Klar ist: die Prüfung ist die Hürde, die übersprungen werden muss – egal, ob man Geselle oder Meister werden möchte.

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Ist eher ein Verfechter des klassischen Werdegangs: Dirk Schäfermeyer, ZVA Abteilungsleiter Berufsbildung.
ZVA

Ausgebildet im Nachbarland

Anders sieht es wiederum aus, wenn man aus dem Ausland kommt und in Deutschland als Augenoptikerin arbeiten möchte. In diesem Fall gibt die Möglichkeit den beruflichen Abschluss anerkennen zu lassen. Der normale Weg geht über die Handwerkskammer. Bei dieser müsse ein Antrag auf Feststellung der Gleichwertigkeit des ausländischen Bildungsabschlusses zum deutschen Gesellen beziehungsweise Meisterabschluss gestellt werden. Aus Erfahrung weiß Schäfermeyer, dass in den allermeisten Fällen die festgestellten Kenntnisse nicht ausreichen. Oft müsste noch Wissen erworben werden, hauptsächlich im praktischen Bereich. Im Anerkennungsverfahren werde zum Beispiel sehr genau geschaut, ob die im Ausland erworbenen Kenntnisse mit dem des deutschen Meisterabschlusses gleichzusetzen sind. Der bessere Weg in Richtung berufliche Anerkennung sei es demnach, zuerst eine Anstellung zu finden, einige Zeit in Deutschland zu arbeiten und sich dann um eine Anerkennung zu bemühen. Augenoptiker aus dem Ausland könnten auch ohne vorherige Anerkennung problemlos eingestellt werden. Wenn dann nach einiger Zeit ausreichend Deutschkenntnisse vorhanden sind, sei eine Anerkennung oft nur noch eine reine Formsache. Nach der Anerkennung, die aus einer Prüfung der Unterlagen und Zeugnisse durch die Handwerkskammer besteht, erfolgt ein Gutachten. Dieses stellt dann den vorhandenen Abschluss dem deutschen Gesellen bzw. Meister gleich. Hier betont Schäfermeyer, dass diese Gleichstellung nicht damit einhergehe, dass der deutsche Meistertitel getragen werden dürfe. Er sei diesem lediglich gleichgestellt.   

Inzwischen gibt es noch andere Möglichkeiten seinen Abschluss anerkennen zu lassen, unter anderem auch die Anerkennung nonformaler Kenntnisse, die auf beruflicher Erfahrung beruhen. Zum Beispiel über das Projekt Inno-Vet des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das hochwertige Qualifizierungsangebote für die berufliche Aus- und Weiterbildung geschaffen hat.

Ohne Prüfung, aber mit Zertifikat, kann man als Fachverkäufer für Augenoptik in den Beruf starten. Angeboten werden solche Kurse inzwischen von vielen Stellen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten Grundlagen in der Beratung und dem Verkaufsablauf mit Kundinnen und Kunden. Die Ausbildung enthält theoretische und praktische Teile, die an das Gesellenwissen anknüpfen. Inhalte sind zum Beispiel optische und anatomische Brillenanpassung, Fassungsauswahl, Verkauf von Brillen und Kundenkommunikation. Die Angebote unterscheiden sich zum Teil stark in Umfang und Länge. Interessierte sollten sich vorher genau informieren, welche Möglichkeiten eine solche Ausbildung im Anschluss ermöglicht. Eine Beruflichkeit entwickelt sich erst, wenn man Tätigkeiten eine gewisse Zeit lang ausbildet. Erfahrung ist ein wesentlicher Teil jeder beruflichen Laufbahn. Eine Ausbildungsdauer von drei Jahren hat ihre Gründe, nichtsdestotrotz, können die Möglichkeiten des Quereinstiegs ein Anfang für eine solche zukünftige Beruflichkeit sein. Wie der Quereinstieg bei Fielmann und Apollo aussieht, haben wir im Folgenden exemplarisch auf Grundlage der Informationen beider Unternehmen zusammengefasst, außerdem gibt es eine Übersicht über anderer Anbieter und Unternehmen, die ebenfalls Quereinsteiger qualifizieren.  

Quereinstieg bei Fielmann

Mit dem Fachberater Augenoptik bietet Fielmann Quereinsteigern die Möglichkeit, sich für die augenoptische Branche zu begeistern. Der Fachberater-Kurs umfasst sechs Wochen, davon zwei Wochen Präsenz im Schulungszentrum in Offenbach beziehungsweise in der Fielmann Akademie Schloss Plön, eine PraxisWoche in einer Niederlassung sowie drei Wochen Online-Kurs. Der Kurs schließt mit einer Prüfung ab. Lerninhalte sind zum Beispiel die Kundenberatung zu Serviceleistungen wie das Richten einer Brille oder auch die Glas- und Fassungsberatung. Der Einstieg in die Fachberater-Kurse ist jederzeit möglich, da Fielmann diese regelmäßig anbietet.

Voraussetzungen: Eine abgeschlossene Berufsausbildung hilft beim Einstieg. Zum Berufsbild gehört auch ein gewisses Gespür für Mode und natürlich Spaß am Umgang mit Menschen. Harte formale Voraussetzungen gibt es für den Fachberater nicht.  

Zukunft und Aufstiegschancen: Seit über 20 Jahren bietet Fielmann mit dem Fachberater eine Möglichkeit, in die Augenoptik einzusteigen. Die Absolventen des Fachberater-Kurses werden in einer Fielmann-Niederlassung fest angestellt. Sie beraten eigenständig Kunden und verkaufen Brillen. Die Qualifizierung bei Fielmann kann ein erster Schritt auf dem Karriereweg sein und bis zum Meister oder Niederlassungsleiter gehen. Wie viele Fachberater Fielmann pro Jahr ausbildet, hängt vom Bedarf des Unternehmens ab. Der Fokus liege dennoch in erster Linie auf der hauseigenen Ausbildung von Augenoptikerinnen und deren späterer Übernahme beziehungsweise der Einstellung von Augenoptikern; durch Fachberater sollen die Teams lediglich „ergänzt“ werden.  

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DOZ-Verlag

Quereinstieg bei Apollo

Der Quereinstieg bei Apollo ist seit mehr als zehn Jahren möglich. Zu Beginn veranstaltet Apollo sogenannte Willkommenstage. Kürzlich wurde dieses Angebot intensiviert, um neuen Mitarbeitenden einen bestmöglichen Einstieg zu ermöglichen. Neben diesem „Onboarding“ werden optische Grundkenntnisse genauso wie Beratungs-Fähigkeiten gestärkt. Das Ausbildungsprogramm fand bislang in der Dienstleistungszentrale im mittelfränkischen Schwabach statt, wurde jedoch aufgrund der Corona-Pandemie den aktuellen Gegebenheiten angepasst und findet vorübergehend als digitales Format statt. Darauf aufbauend folgt ein speziell von Apollo konzipiertes mehrmonatiges E-Learning-Programm zur Festigung der Fachkenntnisse, die unter anderem in praktischen Präsenztrainings vor Ort engmaschig weiter gestärkt werden. Zusätzlich zum digitalen Lernen auf der Lernplattform „Leonardo“, die allen Mitarbeitenden zur Verfügung steht, und zum Präsenztraining liegt der Fokus auf dem „Training on the job“. Mit der Kombination aus Augenoptikern und verkaufsberatenden Fachkräften in den Filialen vor Ort bietet Apollo ein Umfeld, um die Theorie in der Praxis weiter zu festigen und auszubauen.

Voraussetzungen: Bei der Tätigkeit Verkaufsberatung ist der direkte Kundenkontakt ein besonderes Kernthema. Daher sollten Interessierte über eine offene, kommunikative Art verfügen und Spaß an einer bedarfsgerechten Kundenberatung haben. Daneben ist ein gutes Auge für typgerechte Stile und Mode von Vorteil. Außerdem legt Apollo bei der Einstellung einen Fokus auf technisches Verständnis: Die Neu-Mitarbeitenden sollen augenoptische Belange verstehen und später, nach ausführlicher Schulung, auch im Kundengespräch nutzen können. In der Verkaufsberatung bei Apollo sollte man zudem begeisterungsfähig sein, denn am Ende geht es darum, die Kundschaft zu begeistern.

Zukunft und Aufstiegschancen: Quereinsteigende in der Verkaufsberatung können eine Ausbildung zum Augenoptiker durchlaufen – meist sogar mit verkürzter Ausbildungszeit. Zudem besteht die Möglichkeit, im Anschluss eine Weiterbildung zum Meister zu absolvieren. Mit der Teilnahme an einem Weiterbildungs- bzw. Traineeprogramm bietet sich außerdem auch ohne Ausbildung in der Augenoptik oder Meistertitel die Chance, kaufmännische Filialleitung zu werden. Voraussetzung ist, dass zugleich die Meisterqualifikation in der Filiale gegeben ist. Als weitere Karrierestufen gibt es die Chance, Regionalleitung und dann Verkaufsleitung zu werden oder in den Bereichen Recruiting oder Verkaufsausbildung tätig zu sein. Ebenso ist es möglich, eine Franchise-Filiale zu übernehmen.

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