Autismus beeinflusst visuelle Wahrnehmung bei Blickwechsel
Forschende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) haben in zwei aktuellen Studien herausgefunden, wie das Gehirn diese visuelle Stabilität herstellt – und warum sich dieser Mechanismus bei Menschen mit stark ausgeprägten autistischen Merkmalen oft unterscheidet.
Das Gehirn filtert unbewusst Bewegungsunschärfen heraus, die durch schnelle Augenbewegungen entstehen – etwa wenn wir abrupt den Blick von einem Gesprächspartner zu einer anderen Person wenden. Diese Filterleistung sorgt dafür, dass der Hintergrund stabil bleibt und wir nicht von Schwindel oder Desorientierung betroffen sind. Die Studien zeigen, dass unser Gehirn erwartbare Augenbewegungen nach einer gewissen Zeit als "Hintergrundrauschen" behandelt und deren Effekte ausblendet – ähnlich wie beim Ticken einer Uhr, das wir nach einer Weile nicht mehr wahrnehmen. „Das Gehirn lernt, vorhersehbare Bewegungssignale zu ignorieren“, erklärt Dr. Antonella Pomè, Erstautorin beider Arbeiten. Bei Menschen mit Autismus-ähnlichen Merkmalen funktioniert dieser Mechanismus jedoch nicht immer zuverlässig. In einer Untersuchung mit 49 Teilnehmenden stellten die Forschenden fest, dass Personen mit stark ausgeprägten autistischen Merkmalen die Auswirkungen ihrer eigenen Augenbewegungen schlechter erkennen. Zudem nehmen sie während dieser Bewegungen auch weniger andere Bewegungsreize wahr, was ein Hinweis auf eine möglicherweise übergreifende Unterdrückung sensorischer Signale sei. „So könnten wichtige visuelle Hinweise übersehen werden, was die ohnehin hohe sensorische Belastung im Alltag zusätzlich verstärkt“, sagt Pomè.
Hilfreich für Menschen mit Reizüberflutung
Prof. Dr. Eckart Zimmermann, Leiter der Studie, betont die Bedeutung dieser Erkenntnisse: Nur wenn das Gehirn ein stabiles inneres Bild erzeugt, bleibt unsere Orientierung im Alltag – etwa im Straßenverkehr – erhalten. Langfristig könnten die neuen Erkenntnisse dabei helfen, Menschen mit Reizüberflutung gezielt zu unterstützen. Ziel sei es, den Filtermechanismus im Gehirn besser zu verstehen, um Ansätze zur Linderung von sensorischer Überforderung zu entwickeln.
Die Ergebnisse wurden in den Fachzeitschriften PNAS und Current Biology veröffentlicht.